Champignon – Bestimmung

Reagenz Sulfanilsäure (4-Aminobenzensulfonsäure)

Im Gespräch mit Dr.Gerhard Pöppel,

Dr. Gerhard Pöppel

Naturwissenschaftler (Physiker), Experte im Bereich der Datenanalyse und dem Maschinellen Lernen. Als Naturfreund und Pilzsachverständiger beschäftigt er sich insbesondere mit der Anwendung von chemischen und physikalischen Methoden im Bereich der Pilzforschung.

 

Viele von uns kennen die weißen und braunen Zuchtchampignons aus dem Supermarkt. Was sollte man beim Kauf beachten?

Jeder weiß, wie wichtig die Frische dieser leicht verderblichen Nahrungsmittel ist. Wenn wir Zuchtpilze erwerben, erwarten wir makelloses Aussehen, einen angenehmen Geruch und festes Fleisch. Das soll auch für Champignons gelten, die wir in der Natur sammeln.

Champignons in der Natur, welche Arten gibt es da und sind die alle essbar? 

Die Gattung Champignons/Egerlinge (Agaricus) zeigt sich in Mitteleuropa mit ca. 60 verschiedenen Arten. Neben etlichen essbaren Arten gibt es darunter leider auch ungenießbare und giftige Arten. Wer Champignons sammeln will, muss sich sehr sicher sein, die Gattung genau zu erkennen, denn die Gefahr eines tödlichen Irrtums ist durchaus gegeben.
Ganz wichtig ist Champignons sicher von den tödlich giftigen Knollenblätterpilz-Arten, und diversen giftigen Schirmlingen unterscheiden zu können.

Anscheinend gibt es oft Verwechslungen und Vergiftungen durch den Karbolchampignon. Was kennzeichnet nun die Gattung Champignons (Agaricus)?

Der Hut der Champignons ist weiß, gelblich bis bräunlich gefärbt.
Die Huthaut lässt sich leicht abziehen. Sie ist meist glatt, faserig oder leicht schuppig, trocken, nicht schleimig und niemals gerieft.
Teilweise verfärben Huthaut und Fleisch der Champignons gelblich oder rötlich.

Der Hut ist leicht abtrennbar vom Stiel. Der Stiel ist fast zylindrisch, die Basis mehr oder wenig knollig, aber steckt nie in einer Scheide (Volva).
Champignons haben einen Ring (Velum partiale), der je nach Art unterschiedlich ausgeprägt ist. Der Ring kann sogar doppelt sein (der untere haftende Ring entsteht durch das Velum universale mit flockiger, zahnradkranzartiger Struktur), ist aber nie verschiebbar.

Champignons haben nie reinweiße Lamellen, das ist ein ganz wichtiges Merkmal!

Die freien Lamellen der Champignons stehen meist dicht gedrängt. Bei jungen Exemplaren sind die Lamellen blassrosa bis graurosa, mit zunehmender Reife der Sporen erscheinen die Lamellen schokoladenbraun bis purpurschwarz.
Auch der Sporenabdruck ist ein wichtiges Merkmal, und zeigt dunkel pupurbraunes bis schwarzbraunes Sporenpulver.

Wie unterscheiden sich die giftigen von den essbaren Arten? 

Innerhalb der Gattung Champignons gibt es etliche Arten, die magen-darm-giftig sind.

Champignons kann man in verschiedene Untergruppen einteilen. Erkennen sollte man Arten aus der Sektion Xanthodermatei.

Sie enthält lauter giftige, bzw. giftverdächtige Champignonarten (ca. 11 Arten in Mitteleuropa). Diese Untergruppe zeigt aber auffällige Merkmale: Die Arten in dieser Gruppe riechen unangenehm chemisch-karbolartig und beim Anschneiden der Stielbasis färbt sich diese deutlich chromgelb. Nur die beiden wärmeliebenden Arten, der Falsche Waldegerling (Agaricus freirei) und der Falsche Wiesenegerling (Agaricus pseudopratensis), wollen diese Merkmale ihrer Sektion nicht deutlich zeigen.
Auch in den anderen Sektionen gibt es bezüglich der Essbarkeit zweifelhafte Arten. In jedem Fall gilt: Champignons, die unangenehm riechen (z.B. nach Karbol, Tinte, Fisch) sind auf alle Fälle zu meiden.
Sich nur auf den Geruch zu verlassen ist allerdings tückisch. Was ist, wenn beim Sammeln ein wunderbar nach Anis riechender, essbarer Champignon seinen Geruch im Korb einem undeutlich riechenden Giftchampignon übertragen hat? In der Literatur findet sich oft die Behauptung, dass man spätestens in der Pfanne den Karbolchampignon deutlich am Geruch erkennt. In einer kleinen Runde haben wir das einmal überprüft. Brät man einen giftigen Perlhuhnchampignon mit Zwiebeln in der Pfanne an und vergleicht das mit dem identisch angebratenen gilbenden dünnfleischigem Anischampignon ist der Unterschied weder im Geruch noch in der Farbe mehr klar erkennbar.

Ist die Regel zu verwenden, dass alle rötenden Champignons essbar sind?

Solche allgemeinen Aussagen hätte man gerne, doch leider gibt es eben Ausnahmen. So ist z.B. der Falsche Waldegerling (Agaricus freirei) giftig, obwohl er rötet. Man kommt nicht umhin, die Arten, die man essen will, einzeln genau zu kennen.

Wer Champignons zum Essen sammeln möchte, sei hier auf die Arten verwiesen, die in der Positivliste der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) genannt sind:
Agaricus altipes: Frühlingschampignon, Flüchtigberingter Champignon
Agaricus arvensis: Schafchampignon, Weißer Anisegerling, Gemeiner Anisegerling
Agaricus augustus: Braunschuppiger Riesenegerling
Agaricus bisporus: Zuchtchampignon
Agaricus campestris: Wiesenchampignon
Agaricus langei: Großer Waldchampignon
Agaricus silvaticus: Kleiner Waldchampignon
Agaricus silvicola: Dünnfleischiger Anisegerling

Und wer tiefer in die Bestimmung der Sektionen und Arten der Champignons einsteigen will, kommt nicht umhin Spezialliteratur zu lesen. Eine wertvolle Hilfe bei der Bestimmung der Champignons sind makrochemische Merkmale, die verschiedene Sektionen gut voneinander trennen lassen.
Dazu verwendet man folgende makrochemische Tests:
Der KOH-Test: 10% Kalilauge färbt bei einigen Sektionen die Huthaut gelb (KOH positiv).

Der Schäffer-Kreuzungstest: Im Kreuzungspunkt eines senkrechten Striches mit Anilin und eines waagrechten Striches mit konzentrierter Salpetersäure auf der Huthaut färbt sich bei einigen Sektionen die Huthaut orangerot (Schäffer positiv).

Damit kann man folgende Sektionen einordnen, nach G. Kibby "The genus Agaricus in Britain" (erhältlich bei Pemberley):

Champignon
Gattung Agaricus

Auch hier gilt aber, dass sich manche Arten fast nicht auf den Test ansprechen wollen. Wiederholt hat sich das z.B. bei Agaricus urinascens gezeigt, der manchmal nicht oder nur ganz schwach auf KOH und Schäffer anspricht.

Der Schäffer-Kreuzungstest ist sehr nützlich, aber wegen seiner gefährlichen Chemikalien Anilin und konzentrierte Salpetersäure mit Recht umstritten und er wird deswegen vielfach nicht mehr praktiziert.

Gerhard, du hast einen möglicher Ersatz für den problematischen Schäffer-Kreuzungstest gefunden. Kannst Du uns dazu Genaueres erklären?

Ich habe mich um die Entwicklung einer Alternative zum Schäffer-Kreuzungstest bemüht, bei der weitaus weniger problematische Substanzen verwendet werden. Anstelle von Anilin und konzentrierter Salpetersäure kann man das Reagenz Sulfanilsäure in wässriger oder essigsaurer Lösung verwenden. So entsteht mit dieser Substanz bei „Schäffer positiven“ Champignons nach 1-2 min direkt eine orangerote Reaktion auf der Huthaut der Champignons.

Schäffertest
©Foto Sonja Waldenberger

Das neue Reagenz Sulfanilsäure bietet zugleich noch weitere Möglichkeiten, z.B. kann die Prüfung auf KOH-positiv und Schäffer-positiv, durch entsprechende Wahl der Reagenzien, in einem Zug durchgeführt werden. Die genaue Beschreibung dazu findet sich in den untengenannten Links.

Schäffer Kreuztest
Schäffer Kreuztest
© Foto Gerhard Pöppel

Details siehe:

https://www.researchgate.net/publication/344875091_Ein_moglicher_Ersatz_fur_die_Schaffer_Reaktion_bei_der_Gattung_Agaricus

https://www.researchgate.net/publication/345942686_A_possible_substitute_for_the_Schaeffer_reaction_in_the_genus_Agaricus

https://www.researchgate.net/publication/355058155_A_possible_substitute_for_the_Schaeffer_reaction_in_the_genus_Agaricus

Wer das Reagenz beziehen möchte, kann sich an Dr. Gerhard Pöppel wenden, unter  gerhard.poeppel@gmx.de

Wenn Ihr weitere Erfahrungen habt, dann bitte schreibt uns doch hier in die Kommentar Möglichkeit, das interessiert alle Leser!

 

 

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