Der Boden ist unser aller Lebensgrundlage und ein intakter Boden ist vital und steckt voller Leben:
In nur einer Handvoll befinden sich mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde. Dieses Zusammenspiel hat sich über Jahrmillionen aufs Feinste aufeinander eingestellt.
Im Gespräch mit Dr. Rita Lüder,
die zahlreiche Kinder- und Fachbücher über Pflanzen und Pilze herausgegeben hat. Darüber hinaus fotografiert und zeichnet sie die Natur um auf ihre Einzigartigkeit und Schönheit aufmerksam zu machen. Frau Dr. Lüder ist überzeugt davon, dass jede Krise eine Chance bietet und ein harmonisches Miteinander von Mensch und Natur möglich ist. Zusammen mit ihrem Ehemann Frank Lüder, hat sie die Ausbildung zum PilzCoach ins Leben gerufen und setzt sich bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie DGfM u. a. aktiv für die Nachwuchsarbeit ein.
Träumt nicht jeder Gärtner und Bauer von einem gepflegtem Garten oder Feld mit gesunden Pflanzen und reichhaltiger Ernte?
Können menschliche Eingriffe, wie die Freisetzung von gebietsfremden Pflanzen und Düngung mögliche Gründe sein, die tendenziell zu einer Abnahme von Arten führen oder das Gleichgewicht verschieben?
Der Mensch hat versucht mit Kunstdünger und allerlei „Hilfsmitteln“ dieses „Wunderwerk Boden“ zu beeinflussen und den Ertrag über die Maßen heraus zu steigern – doch allmählich werden die Grenzen sichtbar: die Vitalität der Pflanzen leidet und der Boden hagert aus. Es reicht nicht nur einige Hauptnährstoffe einzubringen und das feine Miteinander der Bodenwesen zu vernachlässigen.
Wie kann man sich das Leben im Boden eigentlich vorstellen?
Der größte Anteil sind Pilze, das macht dieser Vergleich deutlich: Jeder Hektar (10 000 m²) intakter Waldboden enthält 445 kg Pilztrockenmasse, 7 kg Bakterien und 36 kg Kleintiere. Unter einem Fußabdruck von uns Menschen befinden sich in einem intakten Boden (von der Sohle bis zum mineralischen Untergrund) Hunderte von Kilometern der feinen Pilzhyphen. Diese merkwürdigen Fadenwesen sind weder Tier noch Pflanze und bilden ein eigenes Reich, das im Verborgenen den gesamten belebten Boden durchzieht.
Heute weiß man, dass es Pilze bereits gibt, seitdem die Pflanzen ihr Leben aus dem Wasser an Land begonnen haben. Ihr auf Kooperation ausgerichtetes Leben hat die gemeinsame Entwicklung beider Reiche erst möglich gemacht.
Was sind Mykorrhizapilze?
Können sie Nährstoffe aus dem Boden für die Pflanzen aufschließen?
Pflanzen stellen bei der Fotosynthese mit Hilfe des Sonnenlichtes aus Kohlenstoffdioxid und Wasser Zuckerverbindungen (vor allem Glukose) her und setzten Sauerstoff frei.
Pilze sind wie wir auf den von ihnen produzierten Sauerstoff und Zucker angewiesen. Um an den lebensnotwendigen Zucker zu gelangen, verfolgen Pilze vereinfacht ausgedrückt zwei Strategien, die mit unserem ökologischen Kreislauf unabdingbar verbunden sind.
Eine Millionen Jahre alte Strategie darunter, ist die als Mykorrhiza bezeichnete Partnerschaft von Pflanzen und Pilzen, basiert auf dem Tauschgeschäft: Zucker gegen im Wasser gelöste Mineralstoffe und Informationen.
Die andere Strategie um an den von den Pflanzen aufgebauten Zucker zu kommen, ist ein Leben als sog. Zersetzer. Diese auch als Saprobionten bezeichneten Pilzarten zersetzen absterbende organische Substanzen wie Wurzeln, Blätter, Nadeln, Zweige und Stämme der Pflanzen. Indem sie sich von ihnen ernähren, verwandeln sie diese wieder in Humus und halten damit den ökologischen Kreislauf aufrecht.
Es heisst das Pflanzen Wirkstoffe gegen Frassfeinde bilden können, brauchen sie dazu Mykorrhizapilze?
Die fest im Erdreich verwurzelten Pflanzen können ihren Standort nicht wechseln, aber sie können sich bei ungünstigen Bedingungen gegenseitig verschiedene Stoffe zukommen lassen. Neben in Wasser gelösten Nährstoffen werden auch chemische Botenstoffe ausgetauscht, sie sind das Transportmedium des „Internets des Waldes“, darum spricht man auch vom „Wood-Wide-Web“. So informieren sie sich beispielweise über einen bevorstehenden Angriff von Insekten, damit rechtzeitig Abwehrstoffe in den Blättern gebildet werden. Diese Informationen werden auch über Botenstoffe in der Luft transportiert, doch ebenso über die Mykorrhiza im Waldboden. So konnte man in Studien beobachten, dass beispielsweise ein Raupenbiss zur Leitung elektrischer und chemischer Signale über das Wurzelwerk und die Pilzvernetzung von Baum zu Baum geführt hat.
Für diesen Stofftransport kommen wiederum die Pilze ins Spiel. Pilze vernetzten über Artgrenzen hinaus, dabei kann ein Baum mit über 100 verschiedenen Pilzarten verbunden sein. Neben dem Austausch erfüllen die Mykorrhizapilze an den Pflanzenwurzeln auch eine Filterfunktion gegen Schwermetalle und wehren für sie zerstörerische Pilze und Bakterien ab.
Solche Lebensgemeinschaften werden sehr alt, im Allgemeinen etwa so alt wie Bäume. Von einem Hallimasch in Amerika schätzt man ein Alter von 2400 Jahren.
Doch lässt sich die Natur ins Handwerk pfuschen?
Als große Landmaschinen, Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel auf den Markt kamen, war die Faszination groß und das Potential schien unerschöpflich. Heute zeigt sich die Kehrseite: Dem Boden fehlt es an Vitalität, Spurenelementen und selbst die Vorräte der Hauptnährstoffe sind erschöpft. Jahrzehntelang hat der Mensch nicht auf die Vitalität des Boden geachtet und das feine, von der Natur selber erschaffene Miteinander vernachlässigt. Ständiges Pflügen befördert die in tieferen Bodenschichten lebenden Organismen regelmäßig in für sie lebensfeindliche Bereiche und Bodenverdichtung schadet allen Bodenlebewesen. Doch all diese Organismen sind für einen gesunden Boden unabdingbar, stellen mit ihrem Absterben die Lebensgrundlage und Nährstoffe nachfolgender Generationen zur Verfügung, speichern Wasser im Boden und erhalten so die Artenvielfalt und Vitalität. Insgesamt war das Artenreichtum an Pflanzen, Pilzen und Tieren in der Zeit bevor die intensive Landwirtschaft betrieben wurde (Mitte 20. Jh.) am höchsten. Ohne die Anlage von kleinen Weiden, Wiesen und Brachen fehlte vielen Arten der Lebensraum – doch heute wird dieser zunehmend eng und das Artensterben ist in vollem Gange.
Ursprünglich waren die Landwirte sozusagen die größten Hüter der Erde und haben einen wertvollen Beitrag zur Artenvielfalt geleistet – heute scheinen sie durch die Marktpreise gezwungen zu sein, den Ertrag auf Kosten der Vielfalt zu steigern.
Gesunde Böden führen zu gesunden Pflanzen. Diese werden unter anderem durch Mikroorganismen an den Wurzeln hervorgerufen. Welche Unterschiede gibt es zwischen Endomykorrhiza und Ektomykorrhiza?
Innovative Baumschulen wissen schon lange um das Miteinander von Pilz und Pflanze. Sie verkaufen ihre Pflanzen bereits mit den entsprechenden Pilzpartnern. Doch das Thema Mykorrhiza ist in der Land- und Forstwirtschaft gerade erst in den Fokus geraten. Noch vor einigen Jahren ging man davon aus, dass Pilze nur mit Waldbäumen verbunden leben – das ist in Bezug auf die sog. Ektomykorrhiza auch so. Dabei bilden die Pilze einen sichtbaren Mantel um die jungen Wurzelenden. Doch bei den krautigen Pflanzen gehen beide Partner eine weniger sichtbare Verbindung ein, die sog. Endomykorrhiza (eine spezielle Form davon ist die vesikulär-arbuskuläre VA-Mykorrhiza, bläschenartige und bäumchenförmige Wurzelpilze). Hier dringen die Pilzfäden in die Wurzel der Pflanze ein, so dass der sichtbare Mantel um die Wurzelspitzen fehlt. Inzwischen geht man davon aus, dass mindestens 95 % aller Pflanzen, darunter auch Arten wie Getreide und Mais, in einer Symbiose mit Pilzen leben und nur so vital gedeihen.
Gesunde Strukturen brauchen Zeit. Um gute Ernteerträge auch in der Zukunft garantieren zu können, wäre dabei eine Pilz-Pflanzen-Symbiose hilfreich?
Nun strebt der Mensch nach schnellen Lösungen und hofft, dass was über lange Zeit vernachlässigt wurde, durch ein neuerliches Eingreifen „wieder in den Griff“ zu bekommen. Doch gerade diese Zeit zeigt uns deutlich, dass unser Eingreifen in vielen Bereichen schlechtere Ergebnisse bringt, als der Natur ehrfürchtig zu lauschen und ihren Gesetzen zu folgen.
Wie schön wäre es nun eine Pilzart zu kennen, die mit den Feldfrüchten eingebracht würde und alles ginge schnell und einfach seinen Lauf. Doch Pilze haben ihre eigene Magie und ihre eigenen Vorlieben. Manche bevorzugen eher kalkhaltigen und andere Arten eher sauren Boden, ebenso sieht es mit dem Nährstoffhaushalt, der Feuchtigkeit und den optimalen Temperaturen aus. Da erscheint es doch eher sinnvoll, der Natur Zeit zu geben, sich selber zu regenerieren und ihr möglichst wenig ins Handwerk zu pfuschen. Noch dazu ist die Bodenverdichtung der Feind aller empfindsamen Bodenorganismen, nicht nur der Pilze. Optimal erschient es, den Boden vital zu behalten und in den intakten Boden Pflanzen einzubringen, die dann aus dem Umfeld heraus mit den dort vorkommenden Pilzen und Bodenorganismen versorgt werden.
Doch in vielen Bereichen gibt es diese intakten Böden heute nicht mehr. Hier gilt es innovative Lösungen zu finden, wie wir die Natur dabei unterstützen können, ihr Gleichgewicht entstehen zu lassen und dennoch Produkte aus Garten und Landwirtschaft zu ernten. Keine leichte Aufgabe, der wir uns in Zukunft stellen müssen. Auch hier verspricht ein Miteinander der verschiedenen Fachbereiche die größten Chancen.
So hoffe ich, dass sich die Experten der unterschiedlichen Disziplinen an einem runden Tisch einfinden mögen um für die wertvollste Grundlage unserer Erde, die wir haben eine Zukunft zu gestalten: unseren Boden!
Die liebevollen Illustrationen und das Foto in diesem Beitrag, sind von Dr. Rita Lüder! www.kreativpinsel.de
Einige der gewerblich wichtigsten Pflanzengruppen, die von Endomykorrhizen profitieren können laut MRCA Science Org.:
Ahorn, Akazie, Amberbäume, Apfel, Apfelbeere, Aubergine, Artischocke, Avocado, Bambus, Banane, Basilikum, Baumwolle, Buche, Begonie, Birne, Birne, Bohnen, Buchsbaum, Chrysantheme, Dattelpflaumenbaum, Eiben, Erbsen, Erdbeere, Erdnuss, Erle, Esche, Eschenahorn, Eukalyptus, Falsche Akazie, Farn, Feige, Flachs, Forsythie, Fuchsie, Funkien, Gardenien, Geranie, Gerste, Gräser, Guayule, Gummibaum, Gurke, Hanf, Hibiskus, Himbeere, Hirse, Hornstrauch, Johannisbeere, Jojoba, Kaffee, Kakao, Kakteen, Kamelie, Kapuzinerkresse, Karotte, Kartoffel, Kastanie, Kautschuk, Kirsche, Kiwi, Klebsame, Klee, Knoblauch, Kokosnuss, Kopfsalat, Korallenbäume, Kräuter, Kreosotbusch, Kriechwacholder, Kuhbohne, Kürbis, Lauch, Liguster, Litschi, Lorbeer, Löwenmaul, Luzerne, Magnolie, Mahagonibaum, Mahonie, Mais, Mammutbaum, Mandel, Mango, Maniokstrauch, Marille, Maulbeere, mehrjährige Pflanzen, Melden, Mimose, Moskitogras, Myrte, Okra, Olive, Palmen, Pampasgras, Papaya, Pappel, Passionsfrucht, Pazifische Eibe, Pfeffer, Pfirsich, Pflaume, Pistazie, Platane, Prosopis, Prunkwinden, Purgiernuss, Raigras, Reis, Rhus, Ringelblume, Rose, Rotesche, Säckelblume, Salbeistrauch, Sauerbaum, Schalotte, Schmucklilie, Schwingelgras, Sellerie, Sicheltanne, Sojabohne, Sonnenblume, Sorghumhirse, Spargel, Speisekürbis, Spindelsträucher, Springkräuter, Stechpalme, Steineibe, Sternfrucht, Sudangras, Sukkulenten, Süßkartoffel, Tabak, Teepflanze, Tomate, Traubenkirsche, Ulme, Veilchen, Wachsbäume, Weide, Weihnachtsstern, Weintrauben, Weißdorn, Weizen, Yamswurzel, Yucca, Zeder, Zitrusfrüchte, Zitterpappel, Zuckerrohr, Zürgelbaum, Zwiebelgewächse, Zypresse
Grossartiger Artikel !!!!
Werde das bei uns auf der Webseite in der Rubrik Tipps/Landwirtschaft/Pflanzen verlinken, dann erscheint es auch auf der Titelseite rechts im Rahmen.
Ist dir das recht?
Danke liebe Marlene, gerne, das ist eine tolle Idee von dir!
[…] sind Mykorrhiza […]