Zunder Kunsthandwerk

I glaub, dir brennt da Huat!
Oder von der Huadasau zum Haderlump‘n!
Ein Gespräch mit Peter Karasch,

Fachberater Mykologie (Univ. gepr.) und Pilzsachverständiger der DGfM Peter Karasch leitet im Nationalpark die Mykologische Feldforschung und betreut das Interreg-Projekt Funga des Böhmerwaldes

Der Zunderschwamm - Fomes fomentarius (L.) Fr. 1849, in Deutschland übrigens Pilz des Jahres 1995, ist nicht nur in der Pilzszene einer der bekanntesten Heil-und Nutzpilz.
Der weltweit bekannteste User der Huder- oder Hadersau, wie der Porling im Bayerischen Wald „liebevoll“ genannt wird, war Ötzi, die bestuntersuchteste Steinzeitmumie der Welt. Natürlich gab es Zunderschwämme schon sehr lange vor Ötzi’s Geburt. Kreisel & Ansorge berichteten 2009 in der Zeitschrift für Mykologie über den vermutlich größten bis dahin dokumentierten subfossilen Pilzfruchtkörper überhaupt. Er stammte aus einer Baugrube bei Stralsund und wurde auf etwa 7300 Jahre datiert. Da die ältesten bekannten Vorfahren der Buche (Fagus pliocenica) als Versteinerungen aus dem Tertiär Zeitalter erhalten sind, ist es gut möglich, dass es Zunderschwämme seit mehr als 3 Millionen Jahren auf der Erde gibt. Das Ötzi auch den Zunderschwamm dabei hatte, war natürlich kein Zufall. Es ist hinlänglich bekannt, dass bis zur Entwicklung der Streichhölzer vor ca. 180 Jahren Feuer am Einfachsten mit Schlageisen und Zunder hergestellt werden konnte. Mit weich geschmiedetem Stahl, Feuerstein und Zunder schlug man Feuer und bewahrte die Glut. Man konnte in einem Gefäß glimmenden Zunder auch über einige Zeit lang transportieren. Auch die medizinische Tradition, die unseren Pilz umgibt, ist sehr alt und reicht wahrscheinlich bis um die 10000 Jahre zurück. Sein Name taucht in den unterschiedlichsten Arzneibüchern auch des alten Roms und des Mittelalters auf. Er wurde als Wundschwamm ( Fungus Chirurgorum ) verwendet, und noch bis ins 19. Jhdt. in Apotheken als blutstillende Wundauflage verkauft. Der Mycelialkern des Fruchtkörpers, getrocknet und zu Pulver gemahlen, wird laut Angaben in der TCM gegen verschiedene Krankheiten eingesetzt. Ergostin, die Vorstufe des Vitamin D, ist unter anderem nur ein Bestandteil, welcher isoliert und nachgewiesen wurde. Wissenschaftlich greifbarer ist ein Heileffekt von Zunderschwamm für Bienen, siehe Beitrag Bees & Mushrooms.
Das Pulver wurde auch in Sibirien als Schnupftabak benutzt. Heinrich Holzer hatte immer einen Pilz - Schnupftabak dabei. Fomens fomentarius ist der Allrounder unter den Heil-Pilzen.

Pilze wachsen geotrop
Was inspiriert Dich am Zunder Peter?

Ich mag den Duft, auch wenn er verbrennt. Ich mag das weiche, verarbeitete, luftig leichte Material. Und mich fasziniert die lange Nutzungsgeschichte von der Steinzeit bis heute.
Bis in die heutige Zeit hat sich der uralte Brauch erhalten, mit brennenden Huadasauen das Osterfeuer von Ort zu Ort zu tragen.

Wo wächst der Zunder und warum ist er in unseren Wälder nicht mehr so häufig aufzufinden, was ist die Ursache dafür?

Dazu möchte ich erklären , das hiesige Lieblingssubstrat vom Zunderschwamm die Rotbuche als Hauptwirt, ist er in den gesamten mitteleuropäischen Ländern bis in die Ukraine, Nordamerika und bis in den Karpatenbogen weit verbreitet.
Als zweithäufigster Wirtsbaum gilt die Birke, die als schnellwüchsige Pionierpflanze jedoch deutlich kleinere Fruchtkörper aufweist als alte mächtige Buchenstämme. Seltener werden andere Laubholzarten wie Hasel, Kirsche und auch Walnuss besiedelt. Das gehäufte Auftreten von Zunderschwämmen in Waldgebieten gilt als gutes Zeichen für deren naturschutzfachlichen Wert. Er wird dort als Naturnähezeiger betrachtet und befällt als Schwächeparasit und Saprobiont alte geschwächte Bäume. Nach dem Befall kann er noch eine ganze Weile als Saprobiont im befallenen Holz weiterleben und bis zu 30 Jahre alte Fruchtkörper bilden. Diese beginnen jung halbkugelig und entwickeln sich normalerweise konsolenförmig bis zu 10- 30 oder selten 60 cm Durchmesser. Die Zunderschwämme erzeugen im Holz durch den Abbau von Ligninen übrigens eine Weißfäule.
In jeder Wachstumsphase werden neue Schubringe gebildet, pro Jahr zwischen zwei und drei. Fällt ein stehend abgestorbener Baum mitsamt seiner Fruchtkörper um, wachsen die Fruchtkörper geotrop weiter, was mitunter zu interessanten Formen führt.
Die Übernutzung vieler Wälder, wie Monoplantagen und Überdüngung der Felder durch uns Menschen werden die Lebensräume des  Zunderschwamms immer weiter dezimiert. Aber durch Renaturierung wie im Nationalpark Bayerischer Wald kann sich der Zunder und andere Arten wieder in natürlicher Form ausbreiten.
Er ist damit eine ökologisch sehr wichtige Art in der natürlichen Walddynamik. Alte Zunderbuchen sind auch wichtige Biotopbäume für Höhlenbrüter wie z.B. Spechte.

Der Zunder an der Weide, ist das eine völlig andere Art?

Ja, in der Regel der Falsche Zunderschwamm (Phellinus igniarius), den man aber auch zum Feuermachen verwenden kann.
Der Begriff Zunder umfasst hierbei im Übrigen alle Arten von leicht entflammbaren Materialien, so z. B. auch präparierte Rohrkolbensamen. Nahezu alle prähistorischen Nachweise belegen jedoch den Zunderschwamm als häufigstes verwendetes Material.

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts löste dann die Erfindung des Streichholzes den Zunder beim Feuer machen ab.

Diese Entwicklung war vermutlich die Rettung für die Art und ihre Wirte, oft stattliche alte Buchen.
Der Bedarf an Zunder war zeitweilig so hoch, dass der Pilz in Deutschland fast ausgerottet war, und aus Osteuropa eingeführt werden musste. In der Gegend von Todtnau, gab es um 1830 noch drei Zunderfabriken. Noch 1871 fertigte eine von diesen Fabriken 750 Zentner Zunder. Etlichen Forstrevieren vergaben Lizenzen zur Zunderernte.

Erhalten hat sich ein altes Kunsthandwerk der Schwammelesklopfer, bis in die heutige Zeit in Siebenbürgen/Rumänien und Neustadt am Rennsteig in Thüringen, wo jedes Jahr ein traditionelles Fest stattfindet. Das Rennsteigmuseum hat die wohl umfangreichste Sammlung zum Zunderschwamm veröffentlicht. Doch ist die Anzahl der Handwerker in den letzten 25 Jahren auf wenige Dutzend Könner geschrumpft.

Zunder
Zunder
Sind dann deine Produkte, wie die Hüte, Taschen... aus Rumänien? Hast Du dort Zunderfreunde?

In unserer Rumänienreise nach Corunt, haben wir unsere Freunde Karoly und Mate, die dortigen Zundermacher kennengelernt.
Sie gehören dort zu den letzten traditionellen Zundermeistern die das Jahrhunderte alte Handwerk ausüben.
Karolys Familie hat im Ort einen Souvenirladen, und er zeigte uns seine Zunder -Werkstatt.

Karoly erzählte uns über die traditionelle Nutzung in seiner Gegend :
" Die Zundergeschichte meiner Familie (so erzählte mein Vater) begann in der Zeit um 1870. Mein Großvater Máté György - arbeitete in meiner Familie als erster mit Fomes Fomentarius. Jetzt leben nur noch 3 Familienmitglieder, die mit diesem Material umgehen können. Ich bin der Jüngste Sohn (31 Jahre alt),und ich möchte das Handwerk meinem Kind auch weitergeben. Mittlerweile stelle ich jetzt viele neue Produkte her, wie Hüte, Mützen, Taschen und Ornamente mit Tiermotiven. Viele Menschen in Rumänien glauben, wenn sie Kopfschmerzen plagt oder bei Haarausfall, das die Zunderhüte das lindern und den Haarnachwuchs anregen könnten. "

Zur Herstellung muss man die frischen Pilze zunächst schälen. Zunder schälen

Das sogenannte Trama (lateinisch für „Gewirk“), von der oberen Kruste sowie dem darunter gelegenen Röhrengewebe zu trennen. Das Trama des Pilzes wird ca. 1 Tag in Wasser, mit Pottasche oder Salpeter eingeweicht, und darin gekocht. Durch Hitze entsteht eine Lauge, das den Zunder weich und geschmeidig macht.
Die so vorbehandelten Stücke werden durch Klopfen (Schwammelesklopfer!) und Ziehen auf die Zehnfache Fläche vergrößert. Danach werden sie getrocknet und zu Kleidungsstücken, Tischdecken, Fensterlappen und kleinen Souvenirs mit einer wildlederartigen Haptik weiterverarbeitet. Für Schuhsohlen ist das Material den transsylvanischen Pilzkürschnern offenbar nicht widerstandsfähig genug. Als Obermaterial aber findet es in veganem Schuhwerk Verwendung. Ausserdem eignen sich die weichen Tramalappen zum reinigen von Brillen, Objektivgläsern...
Von mehreren Bistümern ist die Herstellung von Talaren aus dem Zundertrama Material bekannt.

Nicht zuletzt durch die kreative DGfM-Pilz Coach-Bewegung und einen wachsenden Interessentenkreis für „veganes Material“, gibt es hierzulande eine ordentliche Nachfrage nach Zunderschwamm-Produkten, sodass die wenigen verbliebenen Kunsthandwerker in Transsilvanien noch gut beschäftigt sind.
Hier könnt Ihr eine Weste und einen Hut sehen, genäht von Tanja Major!

Mäuse
Manchettenknöpfe
Zunder
7 comments
  1. Ein wunderbarer Beitrag: Informativ, unterhaltsam und künstlerisch. Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

  2. Schöner Bericht,
    habt Dank Tanja und Peter!
    Ich nutze gerne einen Streifen vom Trama junger Zunderpilze, wenn ich ein Pflaster benötige.
    Ich schneide den Streifen direkt von der unteren Zuwachskante ab, dehne ihn ein wenig und wickle in um den Finger.
    Wenn er überlappt, hält er durch die Restfeuchte. Das kühlt gleichzeitig und durch die antibakteriellen Eigenschaften des Pilzes ist die Wunde gut versorgt.
    Der Pilz schließt seine Wunde innerhalb kürzester Zeit und kann später mal wieder genutzt werden!

    Abenteuerliche Grüße, Thomas

    1. Hallo Thomas, danke, auch für das interessante Feedback, toller Tipp! Ich kenne das Birkenporling Pflaster, hast Du das auch schon ausprobiert?
      Sonnige Grüße, Tanja

  3. ein toller Bericht, da war mir vieles bisher unbekannt. Interessant, dass sich die Tradition der Zundermacher im heutigen Rumänien noch erhalten hat. Reizt mich bei meiner nächsten Reise nach Rumänien das Dorf und den Laden aufzusuchen.
    Danke Tanja!
    Servus
    Ulrich

    1. Gerne Ulrich, über den Zunder gibt es noch einiges zu berichten, da werde ich sicherlich noch mehr machen.
      Herzliche Grüße, Tanja

  4. […] Tausende Jahre alten Gletschermumie „Ötzi“ fand.  An einer Schnur hatte er den Birkenporling, Zunder und den Chaga besfestigt. Ötzi benutzte den Birkenporling wahrscheinlich als Wundpflaster, da er […]

  5. sehr interessant!

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